Sonntag, 13. Dezember 2015

14. FAMADIHANA

Adventskalender: Türchen 14

In Madagaskar ist der Umgang mit Toten und Vorfahren komplett anders als der, den wir aus Deutschland kennen. Zwischen Juli und September findet in Madagaskar an vielen Orten das Fest der Totenumbettung statt, was auf madagassisch famadihana heißt und ungefähr mit "umdrehen" oder "Platz wechseln" übersetzt werden kann. Diese Tradition stammt ursprünglich von den merina (dem Volk des Hochlands, siehe 12. Dezember), wurde aber von anderen Stämmen übernommen. Die Totenumbettung findet am Familiengrab statt, was in Madagaskar etwa so aussieht wie dieses hier, das ich in Ambohidratrimo fotografiert habe:



Offiziell lehnen christliche Kirchen den Brauch ab und modern eingestellte merina geben ihr Geld lieber für die Lebenden aus anstatt für die Toten, aber das Fest zählt bei den meisten trotzdem zu einer wichtigen Tradition.

Zur Famadihana-Jahreszeit sieht man oft Wagen mit der Madagaskar-Flagge vorbeifahren, die einen Toten transportieren und vor denen die Passanten respektvoll den Hut ziehen. Stirbt jemand zum Beispiel bei einem Minenunglück oder einem Schiffunfall, hat man vielleicht keinen Leichnam und für den Verstorbenen wird ein Denkmal aus Stein in der Nähe des Familiengrabes platziert.


Anlass zu einer famadihana ist meist, dass ein Familienmitglied im Traum von einem Verstorbenen mitgeteilt bekommt, dass dieser sich vergessen fühlt. Ist der Rest der Familie einverstanden, wird bald die Totenumbettung gefeiert. Das passiert ungefähr alle zehn Jahre, wobei ein Astrologe das Datum bestimmt.

Jetzt zum Ablauf der Feier: Am Vorabend gehen einige Familienmitglieder zum Grab, wobei der Älteste von ihnen die Ahnen über das anstehende famadihana informiert. Am Morgen des Festtages wird der schwere Türstein zur Seite geschoben und das Grab gesäubert. Wenn alle versammelt sind, tragen ein paar Männer die Verstorbenen vom Grab bis zum Haus der Familie im Dorf. Dort werden Geschenke an die Toten übergeben, bevor das Festmahl beginnt. Die Totenfeier ist nicht wie zu erwarten traurig, sondern es ist für die Madagassen meines Wissens nach eher ein fröhliches Volksfest mit lauter Musik und gutem Essen. Nach dem Schmaus werden die Verstorbenen auf den Schoß der Familienmitglieder genommen und bekommen erzählt, was seit ihrem Tod passiert ist. (Wolltet ihr gerne eine Jahrzehnte alte Leiche in den Armen halten? Ich finde das richtig creepy.) Anschließend werden die Toten in neue Laken aus Seide gewickelt, durchs Dorf getragen und schließlich für die nächsten Jahre wieder ins Grab geschafft.


Eine Familie gibt für dieses Fest unglaublich viel Geld aus: für Transporte, das Öffnen des Grabs, neue Tücher, die Verpflegung der Gäste, traditionelle Musik, um das Grab wieder zu schließen... Aber selbst wenn die hohen Kosten der famadihana eine arme Familie ruinieren, ist das noch besser, als die Ahnen zu verärgern.

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